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Vernetzung

 

Unter dem Schirm meiner Schreibtischlampe hatte sich eine winzig kleine Spinne ein wunderschönes, filigranes Netz gesponnen, und wenn ich an meinem Schreibtisch saß und das Licht einschaltete, so kam ich nicht umhin, dieses zarte Gebilde mit der fleißigen Spinnerin im Zentrum voller Hochachtung zu bewundern.

Ich fragte mich jedoch, ob es nicht bessere Plätze gäbe als diese. Also solche, wo vermutlich etwas mehr Beute zu erwarten wäre. Aber was wusste ich schon vom Leben einer kleinen Spinne. Vielleicht verirrte sich ja doch mal ein kleines Beute-Tierchen in diese zarte Falle und müsste sich dann seinem Schicksal ergeben.

 

Nun trug sich ja dieses Natur-Schauspiel in meiner unmittelbaren Nähe zu und so beobachtete ich interessiert, was sich dort tat. Doch außer einigen zarten Staubpartikeln konnte ich nichts wirklich Befriedigendes an Beute im Netz erkennen. Ab und zu verließ die kleine Spinne ihr noch kleineres Zentrum, um einige Reparatur-Arbeiten vorzunehmen und dann wartete sie wieder geduldig im Mittelpunkt des Produktes ihrer Schaffenskraft.

 

Nach drei Tagen, in einem Moment der Unachtsamkeit, geriet ich an einen ihrer Spannfäden und das schöne Gebilde fiel unrettbar in sich zusammen. Kurzerhand nahm ich die kleine Spinne, deren Leben jetzt buchstäblich am seidenen Faden hing und setzte sie in eine Topfpflanze auf der Fensterbank, überzeugt davon, dass dies ohnehin der bessere Platz für sie wäre.

 

Während ich dies tat, kam mir ein Experiment in den Sinn, von dem ich mal gelesen hatte. Irgendwelche Wissenschaftler (ich weiß wirklich nicht, was diese dazu bewegt hatte) hatten den Einfluss von Drogen auf Spinnen und ihren Netz-Bau untersucht. Diese wurden unter verschiedene Drogen, ich glaube, es waren Kokain, LSD, Cannabis und Koffein, gesetzt, und man beobachtete ihre anschließenden Netzbauaktivitäten.

Genaueres erinnere ich zwar nicht mehr, aber ich weiß noch, dass die Cannabis-Spinne zwar nach erheblichen Anlaufschwierigkeiten mit dem Netzbau begonnen hatte, dann aber nach kurzer Zeit die Arbeit komplett wieder eingestellt hatte und auch nicht mehr fortsetzte. Unter Kokain und LSD Einfluss war das Ergebnis eher chaotisch und hektisch ausgefallen und das Ganze wurde ebenfalls nicht zufriedenstellend zu Ende gebracht. Die Spinne jedoch, die das desolateste Ergebnis abgeliefert hatte, war die, die unter dem Einfluss des Koffeins stand. Ihr Netz war als solches gar nicht zu erkennen. Es war völlig chaotisch.

Nicht das dies jetzt irgendwelche Rückschlüsse auf den Menschen zuließe, aber es ist schon verrückt, mit was sich Menschen so befassen.

 

Ich widmete mich dann wieder meiner Arbeit und hatte die kleine Spinne schon bald vergessen. Zwei, drei Tage später, als ich meine Schreibtischlampe am frühen Abend einschaltete, da staunte ich jedoch nicht schlecht. Ein zartes, überaus schönes Netz zierte erneut meine Lampe und mittendrin, als ob nichts gewesen wäre, saß die kleine Spinne.

Nun könnte man natürlich vermuten, es sei eine andere, vielleicht eine Schwesterspinne oder so, die ihren Platz eingenommen hatte, aber ich wusste, sie war es.

 

Ja, und was soll ich sagen, irgendwie stimmte mich dieses, für manch anderen sicherlich recht unbedeutsame Ereignis, richtig froh. Die kleine Spinne hatte, trotz der nicht unerheblichen Distanz und Gefahren, den Weg zu meinem Schreibtischlicht zurückgefunden und sie tat einfach das, was kleine Spinnen nun mal so machen: Sie erschuf ein neues Netzwerk.

 

Und die Moral von der Geschicht:   Kleine Spinnen spinnen nicht.

 

 

 

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